Stasi-Objekt Gotlindestraße und Hans-Zoschke-Stadion
Das MfS breitete sich seit 1950 immer weiter aus. Ab 1975 entstand das Objekt Gotlindestraße nördlich des Hans-Zoschke-Stadions. Dort gab es eine Nachrichtenzentrale und sechs Bürohäuser unter anderem für die Abteilung Postkontrolle, die heimlich Briefe öffnete und bei Bedarf kopierte. Der rund 300 Meter lange Weg neben dem Stadion diente als Verbindung zwischen beiden Dienstorten und hieß intern „Offiziersrennbahn“. Im Zuge der Ausdehnung verfolgte das MfS eine Zeit lang den Plan, das Stadion, das von einem zivilen Fußballverein genutzt wurde, verschwinden zu lassen. Hier sollten Anlagen für den Dienstsport und die Schießausbildung entstehen.
Störfaktor Fußballstadion
In direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg liegt bis heute das Hans-Zoschke-Stadion, die Heimat des Sportvereins SV Lichtenberg 47. Das 1952 fertiggestellte Stadion war im Laufe der Zeit von Stasi-Erweiterungsgebäuden umbaut worden. Dem Ziel, ein zusammenhängendes Stasi-Areal zu schaffen, stand die Sportstätte im Wege. Seit 1972 schmiedete die Stasi Pläne, das Stadion zu verlegen. Sie bezeichnete die Spielstätte der Lichtenberger Sportler im Jahre 1977 als "nicht länger vertretbaren Faktor", da sie ein öffentlicher Sportplatz mit regem Publikumsverkehr war und die "Schaffung eines in sich geschlossenen Dienstobjekts" verhinderte. Dies war aus Sicherheitsgründen für die Geheimpolizei problematisch. Mit einem Fußballstadion zwischen den beiden Stasi-Teilobjekten waren laut MfS die Objektsicherung sowie der Transport von dienstlichen Unterlagen erschwert. Zum anderen plante die Stasi, das Stadiongelände für die militärische Körperertüchtigung ihrer eigenen Mitarbeiter zu nutzen und am Ort eine Turn- und Schwimmhalle zu errichten.
Die Stasi zeigte großes Interesse daran, was im Hans-Zoschke-Stadion vor sich ging und beobachtete das Gelände genau. Wachleute des Wachregiments "Feliks E. Dzierżyński" und des Referates Sicherung hatten die Spielstätte der Lichtenberger Fußballer im Blick. Exemplarisch dafür stehen die Notizen über Vorkommnisse am Stadion, die ein Stasi-Mitarbeiter im Jahre 1987 über eine Überwachungskamera gemacht hatte. Auch augenscheinlich banale Gegebenheiten wie ein "verendender Hund" neben der Zuschauertribüne oder eine nicht ordnungsgemäß gehisste Flagge fanden in den Berichten Erwähnung.
In einer Absprache mit Helmut Müller, dem 2. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, forcierte die Stasi einen Stadionneubau am Rande des geplanten Volksparks "Malchower See" in Wartenberg-Süd. Zudem hatte das MfS die Unterstützung des damaligen Ost-Berliner Oberbürgermeisters Erhard Krack für das Bauprojekt gewonnen. Die Lichtenberger Fußballer wurden über die Verlagerungspläne jedoch im Dunklen gelassen. Erst zu gegebener Zeit wollte man mit dem Vorhaben in die Öffentlichkeit treten.
Die Bauarbeiten bleiben aus
Doch die Bauarbeiten für das neue Stadion am Malchower See kamen nicht ins Rollen. Die beauftragten VEB Wohnungsbaukombinat Berlin (WBK) und das Kombinat Tiefbau Berlin (TBK) weigerten sich, mit den Bauarbeiten des neuen Stadions anzufangen. Die VEB fürchteten schwere wirtschaftliche Probleme und führten als Gründe ihrer Inaktivität an, dass Planrückstände drohten und finanzielle Planungssicherheit fehlte. Nur das Kombinat Grünanlagenbau hatte seine Mitarbeit am Stadionbau zugesagt. Grund für den stagnierenden Baufortschritt in Malchow war auch die wirtschaftliche Gesamtsituation in der DDR.
Dennoch gingen zur gleichen Zeit die Planungen der VRD zur Neubebauung des Hans-Zoschke-Stadions unbeirrt weiter. 1987 konkretisierte die Stasi, dass sie auf dem Stadiongelände eine Sport- und Schwimmanlage mit einer Schießanlage im Kellergeschoss errichten wollte. Als Alternativbebauung verzeichnete das MfS auf einem Bauplan für den Gesamtkomplex der Stasi-Zentrale insgesamt sechs Bürogebäude und auf der Rasenfläche zwei Parkhäuser. Doch wegen anderer, prioritärer Bauprojekte und der knappen Baukapazitäten bestätigte Minister Erich Mielke die Bauvorhaben nicht.
Letztendlich wurde am Hans-Zoschke-Stadion niemals ein Bagger aktiv. In fast zwei Jahrzehnten war es der Stasi nicht gelungen, die Sportanlage zu übernehmen. Fehlende finanzielle Kapazitäten und die Priorisierung von Wohnungsneubauvorhaben in der DDR der späten 80er Jahre standen dem Vorhaben des MfS entgegen. Der Mauerfall und die Friedliche Revolution setzten den Übernahmeversuchen endgültig ein Ende. Die Fußballer von Lichtenberg 47 überlebten die Stasi und sind bis heute an der Normannenstraße zu Hause. Der Fall des Hans-Zoschke-Stadions zeigt: Manchmal hatte auch der Einfluss der Stasi seine Grenzen.